Schaukästen mit Zinnfiguren
Bildrechte: Germanisches Nationalmuseum, Annette Kradisch

Tausende Zinnfiguren zeigen unterschiedlichste Szenen der Geschichte. Wie die Setzkästen mit Ritterturnierfiguren.

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"Mikrowelten" aus Zinnfiguren: Sammlung kommt nach Nürnberg

Sie waren Lernspielzeug, aber auch ein Massenmedium - jetzt hat das Germanische Nationalmuseum die Sammlung Alfred R. Sulzers geschenkt bekommen: rund 145.000 Zinnfiguren. Etwa 3.000 der besten Stücke sind in einer Ausstellung in Nürnberg zu sehen.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 am Samstagvormittag am .

Kuratorin Dr. Claudia Selheim hat derzeit viel zu tun: 145.000 Figuren umfasst die Sammlung von Zinnfiguren, die Alfred R. Sulzer dem Germanischen Nationalmuseum geschenkt hat. Jetzt wurde die Ausstellung mit den 3.000 interessantesten Stücken eröffnet. Der viel größere, restliche Teil der Sammlung wird in nächster Zeit komplett digitalisiert und dann kostenlos verfügbar sein. Das dauert aber noch seine Zeit, was bei der schieren Menge der Figuren nicht verwundert.

Fenster in die Vergangenheit

Der Schweizer Sammler Sulzer hat vor allem Figuren von 1750 bis zum Ersten Weltkrieg gesammelt. Natürlich sind darunter viele Militärszenen und Zinnsoldaten, wie zum Beispiel ein Exkurs zu Napoleon Bonaparte. In der Ausstellung gibt es aber auch die unterschiedlichsten kleinen Szenen ohne Militär zu sehen:

Massenmedium und Lernspielzeug

Mit Zinnfiguren konnten Erwachsene und Kinder bedeutende Ereignisse nacherleben oder sogar nachspielen. Lange Zeit vor den elektronischen oder digitalen Medien waren die Figuren oft die einzige Möglichkeit, nachzuerleben, was da eigentlich passiert war. Man konnte Schachteln mit der kompletten Szenerie kaufen. Auch die originalen Schachteln sind heute gesuchte Sammlerstücke. Dazu gab es Begleithefte, mit denen Eltern ihren Kindern erklären konnten, was die Figuren genau darstellten. Für viele Menschen war das auch der einzige Zugang zu royalen Ereignissen. Allerdings musste man sich die Zinnfiguren auch leisten können.

"Bombe" für zwölf Euro

Die Szene der Zinnfigurensammler ist klein und schrumpft weiter. Sie kämpft mit einem verstaubten Image. Deswegen dürften die Sammler einer spekulativen Profitgier unverdächtig sein. Alfred Sulzers Sammlung wird dennoch einen kleinen siebenstelligen Wert haben. Aber er selbst freut sich immer wieder über spektakulär günstige Ankäufe. Kürzlich entdeckte er eine lange gesuchte, sehr seltene Figur bei Ebay. Zugeschlagen hat er bei zwölf Euro. Sowas ist eine "Bombe", wie er es selbst bezeichnet.

Achtsamkeits-Training mit Zinnfigur

Zinnfiguren-Szenerien sind ein rührender Anachronismus gegenüber heutigem digitalem Spielzeug mit 3D-Brillen und Computerspielen in dramaturgisch überladener Spielfilm-Ästhetik. Wenn man es schafft, sich in der Ausstellung "Mikrowelten Zinnfiguren" auf diese filigranen, zierlichen Figuren einzulassen und genau hinschaut, dann entdeckt man plötzlich viel mehr. Hübsche Details fallen einem auf, lustige Einfälle und bildschön gemachte Figuren. Die etwas behäbig wirkende "Jagdszene" überrascht mit ganz wunderbar feinkonturierten Bäumchen. Man kriegt sofort Lust, den Wald ein wenig umzustellen, und die Hirsche vielleicht vor dem Jäger zu verstecken.

Zinnfigurenstadt Nürnberg

Für die Spielzeugstadt Nürnberg ist es eine bedeutende Schenkung, für das Germanische Nationalmuseum eine gewichtige Erweiterung seiner Spielzeugabteilung. Die Sammlung kommt gewissermaßen "nach Hause", denn in Nürnberg, Fürth und anfangs auch Coburg waren damals die meisten Offizinen angesiedelt, wie die Hersteller genannt wurden.

Ein Stück Kulturgeschichte durch Spielzeug, schöne kleine Welten, Geschichten aus einer anderen Zeit - das ist die Ausstellung im Genmanischen Nationalmuseum. Wenn man sich darauf einlässt, lohnt es sich.

DIe Ausstellung "Mikrowelten Zinnfiguren" im Germanischen Nationalmuseum ist bis 26. Januar 2025 zu sehen und wird von unterschiedlichen Führungen begleitet, unter anderem gibt es auch Familienführungen, die ab sechs Jahren geeignet sind.

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